Vor etwas weniger als einem Jahr besprach der Rezensent an dieser Stelle das damals frisch veröffentlichte CELER-Album “Zigzag” und ging zu diesem Anlass relativ ausführlich auf Werdegang und Hintergrund des, mittlerweile in Tokyo ansässigen, Soloprojektes des gebürtigen US-Amerikaners WILL LONG ein. Auf längere biographische Exkurse und Einführungen ins Werk wird deshalb hier & heute verzichtet, vielmehr werden Rahmenbedingungen und kontextuelle Bezüge als bekannt vorausgesetzt, so dass wir uns ohne langes Federlesen mittenmang in die vorliegende Veröffentlichung stürzen können. Bei Bedarf einer kleinen Gedächtnisauffrischung möge der interessierte Leser vor Lektüre des aktuellen Artikels hier noch einmal klicken.
Für 2014 gibt die Homepage von CELER einen Output von vier, die entsprechendediscogs-Seite gar von “nur” drei Alben an, was, gemessen an der sonst üblichen, nachgerade manischen Emissionstätigkeit des Projektes (2013 z.B. sieben, 2012 gar sechzehn Alben) für ein ausgesprochen stressfreies, man möchte fast sagen: müßig durchfaulenztes Jahr spricht. “Sky Limits”, als LP im November bei WILL LONGs eigenem TWO ARCORNS-Label erschienen und Ende Dezember dann von BASKARU als CD veröffentlicht, bildet in dieser Hinsicht quasi das Jahresabschlussopus und kommt entsprechend – Achtung, Kalaueralarm:entspannt daher. Nun wird sich der mit dem Oevre des Künstlers einigermaßen vertraute Leser an dieser Stelle eines mehr oder weniger amüsierten Schmunzelns kaum erwehren können, ist doch die Kategorie “entspannt” schlechterdings paradigmatisch für das Gesamtwerk von CELER und insofern für einen einzelnen Exponenten desselben entsprechend wenig aussagekräftig. Es ist im Grunde etwa so, als artikuliere man mit bedeutungsschwangerem Pathos in der Stimme die Feststellung, Angela Merkel habe während einer Parlamentsdebatte – ja, sapperlott! – einen Hosenanzug getragen. Und doch: In Anbetracht des Umstandes, dass CELER sich für “Zigzag” – wir erinnern uns – sogar an Experimente mit so etwas wie Beat (sic!) gewagt hatte, ist es vielleicht nicht völlig überflüssig, explizit zu erwähnen, dass die Zeit der Experimente recht kurz war und nun bereits wieder vorbei zu sein scheint – die große stilistische Wende ist denn doch ausgeblieben und man bewegt sich wieder auf altbewährten, dermaßenrestlos und radikal rhythmusbefreiten, superfriedlichen akustischen Endlosflächen, dass unter ihrem Einfluss wohl selbst eine Horde randalierender Orks im Crackwahn binnen weniger Sekunden zu einer Ansammlung lammfromm herumhoppelnder Kuschelhäschen mutieren würde.
Studiert man den auf der Innenseite des Digipaks abgedruckten Begleittext, so entsteht der intuitive Eindruck einer lockeren thematischen Verknüpfung diffuser Reiseeindrücke mit skizzenhaft hingeworfenen Tagträumereien, und ganz in diesem Sinne gehen auch musikalisch immer wieder allerhand, in LONGs Wahlheimat Japan, und hier vornehmlich zwischen Tokyo und Kyoto, aufgenommene Field Recordings in die typischen, ätherischen Soundflächen über, die CELER über die Jahre zu einer festen Größe auf dem elektronischen Ambient-Sektor gemacht haben: “Hill towns and empty mountains pass by, but the smoothness of the train blurs the view, and it’s easier than ever to fall asleep in the low morning sunlight coming in through the train’s windows. We’re sleeping, or staring out at the cities and landscapes; it’s easy to imagine the sound, and connect it with these events.” Diese Einleitung ist im Prinzip eine perfekte, quasi-lyrische Übertragung dessen, was den Hörer musikalisch auf “Sky Limits” erwartet; und damit das auch dem unsensibelsten Gemüt noch zweifelsfrei aufgeht, wurde dem Promotext obendrein der Untertitel “Dreams Wide Awake” hinzugefügt. Überaus passend zu dieser Programmatik und der musikalischen Umsetzung erscheint denn auch das von WILL LONG – seines Zeichens u. a. professioneller Fotograf – höchstselbst geknipste Covermotiv, das die schwarze Silhouette eines Frauenkopfes vor dem Hintergrund eines Zugfensters zeigt: Dieser Zug ist offensichtlich in voller Fahrt begriffen, denn lediglich unscharf sind die vorüberziehenden Häuser zu erkennen, während das Innere des Abteils in völlige Schwärze getaucht ist und dergestalt die draußen vorüberziehende Welt einrahmt: “Sky Limits” eben – nomen est omen …
Wie anhand des Ausgeführten wohl ersichtlich ist, bietet die vorliegende CD beileibe nichts Neues oder gar Ungewöhnliches, weder für den Freund gepflegten Ambient-Gesumsels im allgemeinen, noch für den von CELERs kontemplativen Soundflussflächen im besonderen, nichtsdestoweniger kann man der Promoauskunft guten Gewissens beipflichten, wenn “Sky Limits” dort als “one of [CELERs] most fulfilling records to date” bezeichnet wird. Nichts Neues und schon gar nichts Aufregendes (was freilich auch kaum die Intention einer Ambient-CD sein dürfte), das jedoch in Formvollendung. Wer also entspannte bzw. entspannende Musik zum Einschlafen, Tagträumen, Meditieren, Lesen, Nasepopeln oder Löcher-in-die-Luft-Gucken sucht, der ist mit “Sky Limits” bestens bedient, denn es handelt sich in der Tat um eine der gelungensten Arbeiten WILL LONGs bislang: Der dezidiert kontemplativ-träumerische Charakter der Musik wird mit subtiler (!) Kurzweiligkeit verknüpft, so dass aller relativen Ereignislosigkeit zum Trotz an keiner Stelle Langeweile aufkommt. Wer freilich der Auffassung ist, auch in einem musikalischen Werk solle “etwas passieren”, wer also Abwechslung und Unterhaltung im engeren Sinne des Wortes sucht, der sollte – dies sei abschließend noch einmal unumwunden klargestellt – von dieser CD besser die Finger lassen.