Obacht, hier kommt mal wieder was Neues von CELER, dem zentralen Projekt des, in jüngerer Vergangenheit unter seinem bürgerlichen Namen auch auf Deep-House-Abwegen flanierenden, Wahl-Tokyoters WILL LONG – und prinzipiell gibt es wohl nur wenige Musiker, die sich ein beherztes “mal wieder” redlicher verdient hätten als er, veröffentlicht LONG mit CELER pro Jahr für gewöhnlich doch locker bis zu einem Dutzend Alben. Im laufenden Kalenderjahr hat sich der Mann, so zeigt ein Blick auf seine discogs-Präsenz, bislang allerdings schwer zurückgehalten: zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Rezension werden dort gerade mal drei Alben für 2019 gelistet – und das, wo das Jahr schon wieder zur Hälfte ‘rum ist! Nun ja, es muss wohl jeder bisweilen mal ein kreatives Päuschen einlegen. Womit wir bei beim zweiten Punkt des Einleitungssatzes – “Neues” – angekommen wären. Die Frage nämlich, inwiefern angesichts von “Xièxie” im eigentlichen Sinne von etwas Neuem gesprochen werden kann, mutet nicht minder rhetorisch an als die generelle Problemstellung obsolet erscheint, ob und inwiefern bei einem Binnenvergleich von CELER-Alben überhaupt im strengeren Sinne von so etwas wie wesentlichen Unterschieden gesprochen werden kann, denn es gibt wohl nur wenige (sehr wenige!) Projekte, bei denen die Devise “Kennste eine, kennste alle” den Nagel punktgenauer auf den Kopf trifft als bei CELER. Um also nicht lange drumherumzureden: Die vorliegende Veröffentlichung weicht von diesem Kurs nicht um ein Jota ab. Wer also schon mal ein bisschen was von CELER gehört hat, muss seine Fantasie nicht einmal minimal anstrengen, nein: er kann sie im Grunde genommen im Stand-By-Modus belassen, um bereits ziemlich konkret zu ahnen, was ihn auf “Xièxie” erwartet.

Geloopte Drones sind geloopte Drones sind geloopte Drones. Und bleiben geloopte Drones. Bis in alle Ewigkeit. Das heißt mindestens so lange, wie WILL LONG mit CELER Alben veröffentlicht. Freilich: Das Ambient-Genre, dem das Projekt verpflichtet ist, hat Varianzarmut und Monotonie zum konstitutiven Stilmittel erkoren, nichtsdestoweniger sind die rigide Beharrlichkeit und Konsequenz, mit der der Mann sein einmal umrissenes Konzept beibehält, selbst in dieser musikalischen Nische einigermaßen beispiellos. Womit nun freilich keineswegs gesagt sein soll, “Xièxie” sei irgendwie nicht gelungen – Gott bewahre, durchaus im Gegenteil: einmal mehr umbrummen den Hörer warme, mit dezenten Field-Recordings zurückhaltend abgeschmeckte, fluffige Drones in Endlosschleife und überführen ihn so über kurz oder lang entweder in einen zünftigen kontemplativen Trancezustand oder gleich zuverlässig ins Land der Träume. Will heißen: Einmal mehr ein Album, das den perfekten Soundtrack liefert für a) Lektüre oder Schreibtischarbeit, b) Meditation oder c) Tiefschlaf. Musik wie eine nagelneue Daunendecke – hier ist alles warm, flauschig, weich und kuschelig, und es gibt nicht nur keinerlei Ecken und Kanten, nein: schon der Gedanke daran erscheint während des Hörens nachgerade absurd. Mit anderen Worten: WILL LONG macht, was er – von 2005 bis 2009 mit tatkräftiger Unterstützung seiner verstorbenen Frau DANIELLE BAQUET aka CHUBBY WOLF und seitdem solo – mit CELER eben schon immer gemacht hat. Und das macht er gut: Ambient im radikalsten und kompromisslosesten denkbaren Sinne – hier ist die totale Entspannung über die gesamte Range garantiert: von Alpha- über Theta- bis Delta-Wellen-Bereich.

Noch ein paar Worte zum programmatischen Hintergrund: LONG verarbeitet auf dem, als 2LP, 2CD, 2CS und Download erschienenen, Album Eindrücke von Aufenthalten und Reisen innerhalb Chinas; so ist auch der Titel, “Xièxie”, die phonetische Schreibweise des chinesischen Wortes für “Dankeschön” – auf dem Coverfoto prangt es in chinesischen Lettern auf der elektronischen Anzeige im Waggon eines Hochgeschwindigkeitszuges, der, auch darüber informiert das fragliche Display, mit bemerkenswerten 303 km/h durch die Landschaft brettert (ein krasserer Kontrast zu dem, was dem Hörer in musikalischer Hinsicht blüht, ist schlechterdings nicht denkbar). Diese charmante Reiseatmosphäre schlägt sich insbesondere in den unaufdringlich (!) eingeflochtenen Field Recordings von Straßengeräuschen, Lautsprecherdurchsagen, Passantenstimmen etc., aber auch in den gewählten Titeln nieder. Apropos Titel: Formal umfasst das Album 11 Tracks, deren Laufzeit sich zwischen 44 Sekunden und knapp 22 Minuten bewegt, de facto gleicht das Hörerlebnis aber eher einem kontinuierlichen Von-Track-zu-Track-Gleiten und so erscheint es nur konsequent, dass der Download als Bonus noch eine Uncut-Version des Album umfasst, die rätselhafterweise auf zwei Portionen aufgeteilt wurde, anstatt sie konsequenterweise gleich in einem durchgehenden Stück zu servieren – das verstehe, wer will, aber wurscht. Fazit: Wer CELER auf der Höhe seiner Ambient-Schaffenskraft erleben will und Musik liebt, die sich anfühlt wie eine Badewanne voll warmem Wasser, das mit “Kneipp’s Glücklicher Auszeit” versetzt wurde, der sei hiermit ultimativ zur Anschaffung angehalten.