Celer, das seit 2005 aktive Ambient-Projekt des US-stämmigen Multitalentes WILL LONG, war bereits des öfteren Gegenstand von Besprechungen auf dieser Seite, weshalb auf weitschweifige Einführungen zur Abwechslung einmal verzichtet sei. LONG, der 2016 und 2018 mit zwei fulminanten Deep-House-Alben unter seinem bürgerlichen Namen überraschte, gründete und betrieb CELER gemeinsam mit seiner Frau DANIELLE BAQUET, bis diese 2009 im Alter von nur 26 Jahren verstarb. Seitdem führt er das Projekt alleine fort und hat die interessierte Öffentlichkeit bis heute mit einer schier unüberschaubaren Fülle von Veröffentlichungen geflutet – discogs etwa listet zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Besprechung bemerkenswerte 124 Alben auf. Beim vorliegenden Werk “Nacreous Clouds” nun handelt es sich um eine remasterte Neuauflage des 2008 beim US-Ambient/Environmental-Label and/OAR erschienen Albums gleichen Titels, das LONG damals noch gemeinsam mit seiner kongenialen Ehefrau eingespielt hat – auf seinem eigenen Label TWO ACORNS reüssiert es jetzt sozusagen als “10th-anniversary-release”.
Angesichts einer Veröffentlichungsrate mit dermaßen hoher Taktung wie der CELER’schen bleibt ein gewisser Wiederholungsfaktor naturgemäß nicht aus – zumal in einem eo ipso eher strukturarmen Sektor wie dem Ambient-Genre –, dennoch dürfte es kaum strittig sein, dass CELER in dieser Hinsicht nochmal mit Verve einen obendraufsetzt: gehässige Zungen mögen hier einen massiven Redundanzfaktor bekritteln, wohlmeinendere Zeitgenossen erkennen hingegen das bewusst intendierte Stilmittel, welches konstitutiv für die Programmatik des Unternehmens CELER im Ganzen ist – und “Nacreous Clouds” bildet in dieser Hinsicht nichts weniger als eine Ausnahme, sondern steht einmal mehr pars pro toto für das musikalische Schaffen des Wahl-Japaners WILL LONG unter seinem CELER-Moniker, will heißen: Ultra-kontemplative, monoton an- und abschwellende, spartanisch konzipierte, drone-artige Soundschleifen, so weit der Gehörgang reicht. Im Unterschied zu den meisten anderen frühen Veröffentlichungen, die nur höchst selten mit Track-Laufzeiten unterhalb der Zehn-Minuten-Marke auskamen, umfasst “Nacreous Clouds” indes stolze 37 (!) Titel (deshalb diesmal auch keine Einzelauflistung!) mit durchschnittlichen Laufzeiten zwischen anderthalb und drei Minuten, was nach einiger Zeit, bedingt durch die ausgeprägte Gleichförmigkeit der Stücke, allerdings kaum noch auf-, geschweige denn ins Gewicht fällt. Wie immer bleibt zu konstatieren: Ohne Frage ein wunderbarer Soundtrack für meditative Zwecke sowie die ideale Hintergrundbeschallung während stiller Beschäftigungen wie Lesen oder Schreiben, da hier lediglich reine Atmosphäre ohne das geringste ablenkende Moment generiert wird. Der Titel des Albums leitet sich übrigens von einem meteorologischen Phänomen, nämlich den Polaren Stratosphärenwolken, her, die auch unter dem bestrickenden Namen Perlmuttwolken (engl. nacreous
clouds) bekannt sind und – nomen est omen – vornehmlich in den winterlichen Polarregionen in Höhen von über 20 km auftreten. Die bisweilen spektakuläre, perlmuttartige Färbung, der sie ihren Namen verdanken, resultiert aus der Brechung des Sonnenlichtes an den Eis-und Schwefelsäurekristallen, aus denen sie im wesentlichen bestehen.
Das nur als kleines Bildungsbonbon am Rande, soll schließlich keiner behaupten, hier könne man nichts lernen. – Laut CELERs Bandcamp-Präsenz erscheint “Nacreous Clouds” übrigens im “4-panel, reverse board ecopack CD package” – ob das nun bedeuten soll, dass man es am End’ auch guten ökologischen Gewissens einfach wegschmeißenkann, sei diskret dahingestellt. Von Limitierungen ist jedenfalls nichts bekannt, insofern …
Fazit: Mit “Nacreous Clouds” liegt eine Wiederveröffentlichung vor, die das Herz des bekennenden CELER-Freundes mit Sicherheit charmieren wird, wenn sie dem ausufernden Oevre des Projektes auch kein Jota hinzuzufügen weiß, das nicht schon x-mal durchdekliniert worden wäre – doch was soll’s, wenn’s gefällt? Und das tut es. Auch der Neueinsteiger in den CELER-Kosmos kann hier bedenkenlos zugreifen, denn “Nacreous Clouds” vermittelt einen absolut repräsentativen Eindruck von dessen Essenz im besten Sinne. Dringend vom Kauf abgeraten sei freilich all den innovations- und sensationssüchtigen Abwechslungsfanatikern, die so zahllos durch unsere irrlichternde “Informationsgesellschaft” taumeln; dergleichen kurzatmigen Hektikern kann man nur entgegenhalten: “Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.” – Dass gerade DAS der Witz ist, verstehen die eh nicht.