Es ist immer ein bisschen schwierig, über ein neues CELER-Album zu schreiben, und es wird mit jedem Mal ein bisschen schwieriger – wobei es einigermaßen wurscht sein dürfte, ob man mit dem musikalischen Konzept des WILL LONG und seiner Umsetzung nun sympathisiert, wie der Rezensent dies erklärtermaßen tut, oder eben nicht. Ursächlich für diesen Umstand ist die relative Abwechslungsarmut, die CELER-Alben sowohl für sich betrachtet als auch im Vergleich mit dem übrigen Output des Wahl-Japaners charakteristischerweise auszeichnen. Zudem ist die früher an dieser Stelle bereits abgehandelte Eigenheit des Mannes, obendrein Tonträger ‘rauszuhauen wie andere Leute Pizzabestellungen, einer Abschwächung dieses Eindrucks durchaus nicht gegenläufig: allein für das, noch vergleichsweise junge, Jahr 2017 verzeichnet discogs bereits vier neue Alben, Tendenz erfahrungsgemäß steigend. Trotzdem entfalten die meisten der Werke, die LONG unter dem Moniker CELER veröffentlicht hat, einen Zauber, dem sich der Rezensent – und mutmaßlich jeder, der ein Herz für fundamentalistischen Wohnzimmertapetenambient der wonniglich-warmen Sorte hat – nur schwer entziehen kann. Freilich, ab und an gibt es auch mal Ausrutscher, doch – um die Pointe dramaturgisch ungeschickt gleich im ersten Absatz auszuplaudern – “Another Blue Day” gehört ganz klar nicht dazu.

Auf eine kompakte – dem besagten, varianzarmen Grundkonzept jedoch absolut angemessene – Spielzeit von einer knappen Dreiviertelstunde verteilen sich zwei Tracks von knapp 27 und gut 16 Minuten Dauer, deren erster, wie das Album, “Another Blue Day” und deren zweiter, nicht minder unprätentiös, “And Another” betitelt ist. Der Promotext für das, bei GLISTENING EXAMPLES erschienene Opus verzichtet auf programmatische Hintergrundinformationen und beschränkt sich stattdessen auf die kurze Beschreibung eines zeitlich unbestimmt bleibenden Erinnerungsfragments, das ebenso luftig-fragil und ruhig-schwebend daherkommt wie die Musik, die dadurch offenbar motiviert wurde. Gegenstand ist der, kurz vor und kurz nach einer Art Ohnmacht erfolgende Blick in ein, von der Abendsonne verzaubertes, lebendig rauschendes, ländlich-naturhaft anmutendes Ambiente; Auszug: “When I woke up I was lying in the grass near the top of the green mountain. A stone house was behind, and you were leaning over me, looking down the hill. The sun was hidden by the clouds, but the afternoon haze turned everything blue, unnatural in azure. A light breeze moved your hair. The clouds opened up, and on the next hill where it had rained, the droplets shimmered, reflected in the orange-baked sun.”

Und eben diese, irgendwie ätherisch flirrende Atmosphäre, wie sie die zitierten Zeilen bereits vage beschwören, entfaltet das vorliegende Album von der ersten bis zur letzten Minute, wobei es durchgängig von jener tiefen, substanziellen internen Ruhe geprägt ist, die es nicht zuletzt auch für den ganz pragmatischen kontemplativen Gebrauch zweckdienlich erscheinen lässt. “Another Blue Day” basiert auf einem endlos hin- und herschwingenden tieffrequenten Loop, der sich, eine subtile hypnotische Bindung generierend, durch das komplette Stück zieht und mit allerlei flächigen Sounds, Field Recordings sowie diversem, behaglich tönendem Gesumme und Gebrumme angereichert wird. “And Another” tönt insgesamt ein bisschen offener und schwebender, die flächigen Sounds dominieren klar, während die behäbigen Bässe nun weiter im Hintergrund entfernt an- und abschwellen. Das mag sich alles durchaus unspektakulär  anhören – und zu behaupten, die vorliegende Veröffentlichung sei spektakulär, wäre nun zweifellos ein terminologischer Fehlgriff –, doch erschließt sich der eigentliche Charme des Albums – wie eigentlich des CELER-Oevres generell – erst jenseits effektheischenden Oberflächengeglitzers in den verborgenen Tiefendimensionen. Und die öffnen sich naturgemäß nur dem, der sich die Zeit und die Muße nimmt, um radikal zu entschleunigen, schließlich innezuhalten, still und stiller und immer, immer stiller zu werden, bis er einen Moment vollständiger Ruhe innerhalb des gleichmäßigen Fließens dieser Musik realisiert hat.

Sieht man also vom Einsatz als reine Ambient-Musik im engeren Wortsinn – will heißen als lediglich untermalende Hintergrundbeschallung – einmal ab, so schließt das bewusste Rezipieren eines CELER-Albums im allgemeinen sowie das von “Another Blue Day” im besonderen immer und geradezu notwendigerweise einen quasi-meditativen Aspekt mit ein, der für das subjektive Erleben ebenso zentral ist wie er sich der verbalen Vermittlung hartnäckig entzieht. Und ehe er sich infolgedessen nun in haltlosem, kryptoesoterischem Geschwafel verliert, macht der Rezensent an dieser Stelle lieber einen beherzten Punkt. – Wer CELER kennt und mag, kann mit “Another Blue Day” jedenfalls nichts falsch machen, wer CELER nicht kennt, aber gut abgehangene, warme Ambientklänge zu schätzen weiß, auch nicht. Wer freilich spektakuläre Innovationen erwartet, der sollte seine Finger besser bei sich lassen, denn es gibt nicht Neues unter der Sonne. Was freilich auch keine neue Erkenntnis ist. Doch was König Salomon recht war, ist CELER nur billig. Und was interessiert’s auch: der Himmel ist blau …