Zu den bekanntesten optischen Täuschungen zählt das durchsichtige, oft nur schwach erkennbare Spiegelbild in einer einfachen Glasscheibe, das sich mit den Objekten hinter dieser Scheibe überblendet. Die Illusion einer solchen Überblendung erfolgt bei vielen Menschen immer dann, wenn Erinnertes oder Imaginiertes die Bilder der äußeren Realität überlagert, wenn das, was man gerne das geistige Auge nennt, die tatsächliche Sinneswahrnehmung in den Hintergrund drängt.
Der in Japan lebende Musiker Will Long, der vor rund zehn Jahren die Band Celer gründete, die er heute als Soloprojekt betreibt, hat sich selbst wiederholt bei dieser erfahrung beobachtet, als er per Bahn in der Peripherie Tokyos oder in der japanischen Provinz unterwegs war. Der Blick aus dem Fenster, wenn man die vorbeirauschenden Ort- und Landschaften in der Regel mit nur mäßiger Konzentration wahrnimmt, ist wie geschaffen dafür, fiktive Bilder entstehen und mit der verhuschten Wirklichkeit verschmelzen zu lassen. Sein neuestes Album “Sky Limits” ist dieser Erfahrung gewidmet.
Erinnerungen, Überblendungen haben auf “Sky Limits” durchaus auch in unmittelbarer Form ihren Raum, füllen als mitgeschnittene Konversationen und fragmentierte Geräusche menschlicher Geschäftigkeit jedes zweite Stück des Albums, das in diesen Abschnitten an ein Hörspiel oder eine Radiodoku mit zurückhaltender Moderation erinnert. Doch das Gros der Musik ist atmosphärisch ungemein verdichteter Ambient von verschwommener, zerfließender Beschaffenheit. Meist in Molltönen, stoßen die Soundscapes trotz ihrer klanglichen Klarheit bewusst an die Grenze zum regressiven Abdriften.
Gerade diese Momente, wenn sie ein paar Minuten lang von keinen unverhofften Kontrasten gestört werden, vergegenwärtigen den tagträumerischen Zug des – keineswegs kitschigen – Schwelgens in Erinnerungen und Vorstellungen besonders, denn in ihrer bedächtigen Wellenform entspricht die Bewegung der elektronischen Flächen einer losgelösten inneren Dynamik viel eher als dem Vorbeisaußen der Außenwelt.
Schon deshalb ist “Sky Limits” mehr als nur der Soundtrack zu einer Idee. Ungeachtet dessen sollte die Musik allen Freunden von Tim Hecker oder Stars of the Lid gefallen.